ESSAY-BRIEF

Essay-Brief April 2023

Die Stimme des Universums

Teil 2

© Bernd Helge Fritsch

 

Unser "Nicht-Ich"

Wahre Liebe offenbart sich erst in der Stille, jenseits von allem Denken. Unser gewohntes Ich wird dabei zum "Nicht- Ich" - es wird zu einem "Ich bin" befreit von allen Eigenschaften, mit denen wir uns üblicher Weise identifizieren.

Unser unvergängliches Ich ist "Reines Sein". Es ist nicht "Dies" oder "Das". Es ist jenseits aller Erscheinungen. Es ist "Sat - Chit - Ananda" (Sein, Bewusstsein und Glückseligkeit) - mit welchen Worten schon vor Jahrtausenden die indischen Weisen auf das un-beschreibbare und un-definierbare "Sein" hingewiesen haben.

In diesem Sinne hat auch für die buddhistische Lehre der Begriff des "Nicht-Ich" (Pali anatta; Sanskrit an?tman) eine zentrale Bedeutung. Er soll zum Ausdruck bringen, dass die vergängliche Person, mit der sich der Mensch normalerweise identifiziert, gar nicht existiert. Wenn du genau hinschaust, erkennst du, dass dieses "Ich" nur aus einem Bündel von Erinnerungen besteht.

Unser tatsächliches Sein offenbart sich nur in der Stille jenseits aller Erinnerungen, Wünsche, Sorgen und jenseits aller sonstigen gedanklichen Vorstellungen. Vertraue diesem Sein! Bleib total gegenwärtig, das heißt möglichst gedankenfrei! Vergiss alles negative Beurteilen und verwirkliche auf diese Weise das höchste Sein, das du bist!

 

Gut- und Böse-Denken

Alles Negative in unserem Leben entsteht - wie schon zuvor gesagt - nur durch verkehrtes Denken, durch Beurteilen, durch die Unterscheidung von "Gut und Böse", wie dies wunderbar durch das Gleichnis der "Vertreibung von Adam und Eva aus dem Paradies" dargestellt wird.

Für Pflanzen und Tiere gibt es kein Gut und kein Böse, keinen Erfolg und kein Versagen, keine Heiligkeit und keine Sünde. All diese Verirrungen tauchen nur mit unseren Gedanken, mit unseren Bewertungen auf.

Wir können jederzeit ins Paradies zurückkehren, wenn wir unnützes, uns belastendes Ego-Denken und -Wollen beenden. Denn im Grunde kann niemand seine Zugehörigkeit zum Paradies verlieren. Wir können nur vermeiden dieses Paradies in und rund um uns wahrzunehmen!

 

Weshalb müssen wir leiden? Der verlorene Sohn

An dieser Stelle mag so mancher fragen, wozu müssen wir durch die Schule des Lebens mit ihren oft so harten Prüfungen gehen?

Eine wunderbare Erklärung findet sich in dem Gleichnis vom "Verlorenen Sohn" (Luk.15,11-32). Dieser Sohn trennt sich mental von seinem Ursprung, von seinem Vaterhaus. Er zieht in die Fremde, in die vergängliche Welt der Erscheinungen und sucht dort sein Glück und verprasst dabei sein Erbteil. Das heißt, er vergisst sein wahres Wesen, seine Göttlichkeit. Er verarmt und ist gezwungen sich aus dem Trog der Schweine zu ernähren. Erst jetzt, wachgerüttelt durch sein Leid, wird ihm sein Ursprung bewusst und er kehrt bereichert mit diesem Bewusstsein zu seinem Vater zurück. Sein Weg führte von der unbewussten Einheit mit der Gottheit in die Trennung und in das Leid und schließlich wieder zurück in die bewusste Verbundenheit mit allem Sein.

Nunmehr jedoch befindet er sich auf einer höheren Bewusstseins-Stufe. Nach seinem Leidensweg hat er ein Bewusstsein erlangt, das in seiner Schönheit und Glückseligkeit nicht mit Worten zu beschreiben ist.

Er war schon bisher, so wie dies für alle Natur- und alle Lebewesen gilt, Eins mit dem universellen göttlichen Sein. Doch es fehlte ihm, um es zu erkennen, das Licht, die "Erleuchtung". Falsches Denken und mangelndes Bewusstsein führten zu Identifikation mit dem Körper, mit den Gedanken und den Gefühlen. Das verursacht bei allen Menschen schmerzhafte Gefühle der Trennung vom göttlichen Sein.

 

Denken - Fluch und Segen

Unser Denken ist grundsätzlich nichts "Schlechtes". Unsere Denkfähigkeit ist ein großartiges Wunder, welche uns befähigt uns vom Tier-Sein zum Mensch-Sein zu entwickeln und letztlich - wie zuvor angesprochen - ein Bewusstsein von unserem "Eins-Sein" mit "allem-Sein" zu verwirklichen.

Allerdings missbrauchen wir unser Denken indem wir die Welt, uns selbst und andere durch die duale Brille kritisch beobachten und sodann be- und ver-urteilen.

Negative Gedanken, welche unbeobachtet unser Seelenleben beherrschen, machen uns krank und depressiv.

Dadurch ausgelöste innere Unruhe bewirkt zwanghaftes Denken und zwanghaftes Denken bewirkt innere Unruhe. Erkennst du den fatalen Kreislauf, in dem sich die meisten Menschen befinden?  

 

Die Befreiung

Wie schon zuvor angesprochen, denkt unser Ego nicht, sondern "wird gedacht"! Mit entsprechender Achtsamkeit kann jeder feststellen, wie Gedanken - gute oder weniger gute - ungefragt in unserem Bewusstsein auftauchen. Wir können sie beobachten und können damit beeinflussen in welche Richtung sie gehen.

Zudem können wir feststellen: Je weniger Ego, je weniger Wünsche und Verlangen, Ängste und Sorgen und je mehr Vertrauen, Hingabe und Liebe wir zulassen, desto ruhiger werden die Gedanken, die auf uns einströmen und umso glücklicher fühlen wir uns.

Der beste Weg um präsent zu bleiben und sich von zwanghaftem Denken zu befreien, besteht darin, sich laufend zu fragen: "Was machen gerade jetzt meine Gedanken? Wohin wandern sie?"; "Wandern sie gerade in die Vergangenheit oder in die Zukunft?"; "Gelingt es mir total gegenwärtig zu sein und nichts zu denken?"

 

Reines Gewahrsein

Diese Übung führt nach und nach zur "reinen Wahrnehmung". In der "reinen Wahrnehmung sein bedeutet: zu beobachten, was dir deine Sinne vermitteln ohne daran irgendwelche Gedanken zu knüpfen. Dieses Gewahr-Sein ist die Realität, die sich in der Gedankenstille offenbart.

Reines Gewahr-Sein, Nicht-Denken ermöglicht die beglückende Erfahrung des "Eins-Sein" mit dem was ist.

Du kannst hier und jetzt - wenn du halbwegs ruhig bist - sofort dieses Eintauchens in das gegenwärtige, gedankenfreie reine Gewahrsein zumindest ahnungsweise vollziehen.

Durch unser Denken entsteht unsere Person, unsere Individualität, unser vergängliches Ego-Sein.  Im Nicht-Denken, in der Stille manifestiert sich unser zeitloses, ewiges, glückseliges Sein.

 

Begegnung mit sich selbst

Wenn wir "Gedanken-Beobachtung" und "reine Wahrnehmung" beharrlich, immer wieder, ausführen fällt es uns immer leichter in die Stille, in die befreiende Begegnung mit sich selbst einzutreten.

Ein auf diese Weise erfülltes Leben kann sich nur ereignen, wenn wir fähig sind, in das "Hier und Jetzt" eintauchen. Dazu gilt es von unserem Ego-Wollen loszulassen und uns stattdessen dem "Dein Wille geschehe" hinzugeben. Auf diese Weise beginnen wir immer tiefer und intensiver die beglückende Harmonie und Einheit mit allem Sein zu erfühlen und zu erfahren.

Nun verschwinden alle Ängste und Sorgen. Wir erkennen, dass alles Geschehen rings um uns und in uns von göttlicher Hand geleitet wird. Wir denken nicht mehr, sondern ES denkt in uns und steuert all unser Leben in wunderbarer Vollkommenheit.

 

Begegnung mit dem Du

Ebenso wie sich die Begegnung mit sich selbst nur in der Stille verwirklicht, benötigen wir die Stille um in eine wahre Verbindung mit unseren Mitmenschen einzutreten. Wer im Gespräch mit anderen nur sich hört und es oft gar nicht erwarten kann, zu sagen, was er sich einbildet sagen zu müssen, kann nicht in Liebe "Eins" sein. Solche Menschen haben oft das Gefühl einsam zu sein. Sie fühlen sich unverstanden und nicht genug geliebt.

Zumindest kurze Momente des Nicht-Denkens, des nicht Sprechens, der Stille sind erforderlich um in eine engere Verbindung mit dem Gegenüber einzutreten. Doch viele Menschen können nicht zuhören. Sie haben ein ständiges Rauschen von ihren eigenen Gedanken im Ohr. Dieses Rauschen, diese Stimme ist vergleichbar mit einem Tinnitus, der eine Person ständig stört und beschäftigt.

Dieser Tinnitus trägt den Namen "Ego-Denken" - eine fatale und weit verbreitete Erkrankung!

 

Die Stille ist immer da

Stille ist immer da. Sie lässt sich nicht erzwingen. So vergeuden wir auch unsere Zeit, wenn wir versuchen beispielsweise durch stundenlanges "Sitzen" und Meditieren Erleuchtung zu erlangen.

Stille in uns entsteht, wenn wir sie entstehen lassen! Sie ereignet sich von selbst, wenn wir in Harmonie mit uns selbst, mit unseren Mitmenschen und mit unserem Alltag sind. Sie ergibt sich wie von selbst, wenn wir das, was immer uns begegnet, liebevoll annehmen. Das fällt uns leicht, wenn unser Ego schweigt. Es kommt zum Ausdruck in den Worten:  

 

"Vertrauen!

Nichts denken! Nichts wollen! Nichts sein!"

 

 

Stufen zum Erwachen - zur Glückseligkeit!

1. Unsere Gedanken beobachten

2. Reine Wahrnehmung - Wahrnehmung ohne Denken hinzuzufügen. Wir erschaffen keine Welten mehr.

3. Samadhi - Stille - Nicht-Ich - beglückendes Sein, jenseits aller Wahrnehmungen und Gedanken

 

Mit herzlichem Gruß

Euer Bernd Fritsch

 

Briefe

Team

Kontakt

Home

Bücher/books